Der Sendero Luminoso war eine linksradikale peruanische Terrororganisation, die in den 1960er Jahren von dem Philosophieprofessor Abimael Guzmán gegründet wurde. Seit Anfang der 1980er Jahre führte sie einen Guerillakrieg gegen peruanische Institutionen und die Bevölkerung, insbesondere in ländlichen Gebieten. Junge Männer und Frauen wurden oft gezwungen, mitzumachen. Seitdem sind rund 80.000 Peruaner dem Leuchtenden Pfad und seiner Nachfolgeorganisation zum Opfer gefallen. Viele sind aber auch im Kampf der mehr oder weniger zivilen peruanischen Regierungen gegen diese Terrororganisation gestorben. Ganze Dörfer und Landstriche wurden von der einen oder anderen Seite ausgelöscht, weil sie gezwungen waren, sich unter die Kuratel der einen oder anderen Seite zu stellen. Zu den direkten Opfern der Terrororganisation zählen vor allem viele kommunistische und linke, ja linksextreme Vertreter der überwiegend indigenen Landbevölkerung, die sich nicht dem Kommando des Sendero unterworfen hatten.
In dieser Hinsicht ähneln die Aktionen des Leuchtenden Pfades denen des heutigen Islamischen Staates (IS), der ja auch jede andere islamistische Organisation als Feind betrachtet.
Der Leuchtende Pfad ist gescheitert. Guzmán, nach einem dreitägigen Militärprozess zu lebenslanger Haft verurteilt, starb vor gut einem Jahr im Alter von 86 Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis, dem peruanischen Alcatrazan der Pazifikküste nahe der peruanischen Hauptstadt Lima.
Was der Leuchtende Pfad jedoch nicht versäumte, war, dafür zu sorgen, dass das elende Leben der peruanischen Landbevölkerung in das Bewusstsein der peruanischen Eliten und Mittelschicht gelangte. Guzmáns Strategie schuf, wenn auch auf perverse Weise, ein Bewusstsein für die schrecklichen Lebensbedingungen dieser großen Bevölkerungsgruppe und machte es so möglich, dass - wenn auch nur bis zum heutigen Tag - ein Vertreter eben dieser Gruppe, Pedro Castillo, Peru als legitimer Präsident führen konnte.
Nun: Was hat der Sendero Luminoso mit Künstlicher Intelligenz zu tun und was - ausgerechnet - mit Partnerschaften?
Wir gehen davon aus, dass die großen etablierten Industrieunternehmen darauf abzielen, das kürzlich entdeckte Neuland unter dem Namen "Industrielle KI" zu kolonisieren. Aus ihrer Sicht ist es nichts für kleine, junge und unerfahrene Start-ups, sich in "ihren" Bereichen zu engagieren. Bis heute sind sie, die herrschende Klasse in der industriellen Technologie, nicht sonderlich genervt von diesen Start-ups, weil sich der Markt noch nicht wirklich gebildet hat und sie scheinbar einen längeren und besseren Hebel haben: "Shopfloor AI" kommt ohne Hardware nicht aus.
Hardware ist immer ein Stolperstein für Start-ups. Sie lässt sich nicht skalieren. Aber die Geschichte hat noch nicht begonnen. Und Partnering-Strategien könnten genau der Hebel für Start-ups sein, den IIoT-Branchenführer und Industrie-4.0-Akteure fürchten lernen könnten.
Das Gute daran ist, dass eine Partnerschaft per Definition ein friedlicher Schritt ist. Es gibt keine Aggression und es fließt kein Blut zwischen den Beteiligten. Aber Partnerschaften sind nicht unschuldig. Sie kann am Ende das Leben derjenigen kosten, die keine Partnerschaft eingehen wollten oder konnten. Beginnen wir unsere Serie von drei Blogposts mit einer Diskussion über das Konzept der Vertriebspartnerschaft im Allgemeinen.
Unter "Partnering" verstehen wir grundsätzlich die Bildung von strategischen (langfristigen) oder taktischen (kurzfristigen/projektbezogenen) Allianzen zwischen Anbietern von Produkten und Dienstleistungen.
Allianzen können in verschiedenen Bereichen sinnvoll sein: Im Einkauf können Sie durch Allianzen mit Partnern Einkaufsrabatte erzielen, weil Sie gemeinsam höhere Mengen einkaufen und so "Power-Shopping" betreiben; in der Forschung und Entwicklung machen gemeinsame Anstrengungen sehr hohe Kosten für den Einzelnen überschaubar. In der Produktion und Logistik können Partnerschaften eine lohnendere Maschinen- oder Fahrzeugauslastung erreichen.... Da wir uns in diesem Blogbeitrag nur mit Vertriebsallianzen beschäftigen, gehen wir hier nicht auf Allianzen für andere Zwecke ein.
Partnering-Strategien sind Bausteine der indirekten Verkaufsaktivitäten. Was ist das Hauptmotiv, sich an ihnen zu beteiligen? Der Vertrieb ist teuer, personalintensiv und erfordert in der Regel einen tragfähigen, bereits bestehenden Marktzugang.
So ist es nicht verwunderlich, dass strategische Allianzen mit Vertriebsabsicht sehr häufig von Start-ups gebildet werden, wenn auch mehr aus Notwendigkeit als aus freien Stücken, nämlich aus Budgetgründen. Vertriebspartnerschaften bieten grundsätzlich den Vorteil, Personalressourcen einzusparen und gleichzeitig über ihre Partner den Marktzugang und die Marktfläche zu erweitern. Start-ups gehen entweder Partnerschaften mit anderen Start-ups ein oder sie kooperieren mit etablierten Marktteilnehmern. In beiden Fällen ist aus Sicht eines Start-ups das Budget der entscheidende Faktor, um überhaupt eine Partnerschaft einzugehen. Im Falle einer Partnerschaft zwischen einem Start-up und etablierten Marktteilnehmern ist der leichtere Marktzugang des etablierten Unternehmens ein zweiter Mehrwert.
Partner im obigen Sinne sind abzugrenzen von Agenten, Distributoren, Großhändlern, Wiederverkäufern und anderen indirekten Vertriebswegen. Denn das erklärte Kern- oder Nebengeschäft solcher Vertriebsorganisationen ist es, den Verkauf der Produkte und Dienstleistungen ihrer Kunden zu organisieren und daran zu verdienen.
Beim Vertriebspartnering hingegen soll der Umstand genutzt werden, dass der/die jeweiligen Partner Beziehungen zu eigenen Kunden und potenziellen Kunden unterhalten, die auch für den Partner interessant sein können, ohne ihnen als Konkurrenten in die Quere zu kommen. Plus: Mein Partner soll mit seinen Verkaufsaktivitäten für mein Produkt nicht direkt Geld verdienen. Vielmehr soll er von den entsprechenden Anstrengungen meiner eigenen Verkaufsaktivitäten profitieren.
Im Kontext von Unternehmensgründungen wird das Partnering vor allem von Investoren oft kritisch beleuchtet. Warum eigentlich? Weil Partnering im allgemeinen für frühphasige Start-ups wenig Nutzen bringt.
Ungeachtet des Hypes um Vertriebskennzahlen wie Customer Acquisition Cost (CAC), Lifetime Value (LV) und dergleichen zählt für Start-ups in der Frühphase weniger, wie kostengünstig Kunden akquiriert werden können. Denn die "Reise" zum Kunden wird in der Regel noch nicht mit dem "eigenen", hart verdienten Geld bezahlt, sondern mit dem der Investoren. Was zählt, ist, die Investoren zu beeindrucken, indem man Kunden gewinnt, die nicht einmalige, sondern wiederkehrende Einnahmen generieren, und zwar schnell. Und "schnell" erreicht man nicht sehr gut, wenn man sich auf Vertriebspartnerschaften einlässt. Partner-Start-ups machen sich in der Regel erst dann Gedanken über die Vertriebsinteressen ihrer Partner, wenn sie in irgendeiner Weise wirklich von ihnen abhängig sind. Direkte Kanäle, also solche, die ich als Gründer selbst steuern kann, sind meist effektiver und besser planbar. Auf die Effizienz des Vertriebs - einen bestimmten Output mit minimalem Input zu erreichen - (Key Performance Indicator: CAC) kann und wird später noch eingegangen werden. CAC ist eine Kennzahl, die von den meisten Start-ups gerne als Teil eines Prognoseszenarios definiert wird und nicht so sehr als Teil ihres aktuellen Umsatzes. Das sieht normalerweise nicht sehr beeindruckend aus. Was also "jetzt" wirklich zählt, ist, dass andere, meine Konkurrenten, nicht schneller sind als ich.
Nicht umsonst liegt der Fokus des Vertriebs eines Start-ups darauf, die schnellsten Wege zu finden, die direktesten Pfade zu den Honeypots der Kunden. In diesem Punkt sind sich erfahrene Investoren, smarte Gründer und Finanzierungspartner grundsätzlich einig: Der Weg über Partner ist einfach nicht schnell genug, zumindest nicht in der Regel. Indirekte Vertriebsstrategien, die den Partnervertrieb einbeziehen, sind daher - in der Regel - bestenfalls komplementäre Strategien. Eine Ergänzung zweiten oder dritten Ranges. Dass sie dennoch von Start-ups angestrebt werden, gleicht einem performativen Widerspruch. Es ist einfach der Effekt eines spannungsgeladenen Verhältnisses zwischen den start-up-typischen kleinen Budgets und den meist hochgesteckten Zielen. In der Anfangsphase siegt immer die Effektivität über die Effizienz: Das hohe Ziel muss so oder so erreicht werden, die Kostenoptimierung, die Erreichung dieses Ziels mit einem vorgegebenen Budget ist zweitrangig.
Der Autor dieser Zeilen denkt noch immer mit Schmerz an eine Vertriebspartnerschaft, die er vor Jahren mit einem Schweizer Universitätsinstitut für eines seiner Start-ups eingegangen war. Auf dem Papier sah alles großartig aus. Die Partnerschaft sollte einen gemeinsamen Ansatz für die Entwicklung und den Verkauf von 3-D-Scannern schaffen. Die Idee war, nicht nur beim Verkauf, sondern auch bei der Forschung und Entwicklung zu sparen: Eine Schweizer Spitzenuniversität sollte doch in der Forschung "top" sein, oder nicht? Vielleicht nicht im Verkauf, zumindest nicht so top. Man müsste sich einfach synergetisch ergänzen. "Synergien" - ein weiterer (pseudo)-strategischer Evergreen.
Der strategische "double whammy" mutierte zu einem doppelten Misserfolg. Erstens: Alles war viel zu kompliziert. Aber noch schlimmer, zweitens: War das Schweizer Universitätsinstitut - wirklich - an einer Partnerschaft mit einem "obskuren" Start-up aus Berlin interessiert?
Und: Würden wir Gründer uns wirklich für die Kaufkraft einiger Schweizer Hochschulräte interessieren? Die ganze Sache hat uns buchstäblich nichts gebracht. Nur die Anwälte waren sehr zufrieden.
Wir haben gesehen, dass Partnering im Start-up-Umfeld keine sehr erfolgreiche Strategie ist, wenn die unmittelbaren Interessen der Partner so weit auseinander liegen, dass der Aufwand zur Verfolgung der Ziele der jeweiligen Partner in erster Linie mit hohen Kosten und Unannehmlichkeiten verbunden ist: Partnering sollte uns Partner in der Regel fast nichts kosten , es sei denn, wir können eine solche Partnerschaft für Marketingzwecke nutzen, zum Beispiel im Rahmen einer Equity Story. Und zweitens sollte mein Engagement für meinen Partner meinen unmittelbaren Interessen so sehr dienen, dass ich gerne, sehr gerne, die Verkaufsinteressen meines Partners oder meiner Partner in Kauf nehme. Das sind sehr hohe Hürden.
Es bedarf keiner Erklärung, um zu verstehen, dass Partnerschaften unsinnig sind, wenn meine Geschäftsziele mit denen meiner Partner identisch oder so ähnlich sind, dass ich sie als Konkurrenten betrachten muss. Sicher, es kommt vor, dass Konkurrenten illegal miteinander konkurrieren. Aber das geschieht immer zum Nachteil ihrer Kunden.
"Immer" - wirklich?
Es gibt eine Ausnahme. Partnerschaften können überall dort sinnvoll sein, wo die Märkte noch jung und nicht voll entwickelt sind. W. Chan Kim und Renée Mauborgne nennen diese Märkte Blue Oceans, um sie von den blutigen Red Oceans zu unterscheiden, in denen nur die fittesten Fische überleben können.
Wo Märkte im Entstehen begriffen sind, kann (muss aber nicht) es für "Fische", die in einem solchen Blauen Ozean schwimmen, durchaus sinnvoll sein, sich mit anderen zusammenzuschließen. Denn: Seien Sie gewarnt, nicht nur Start-ups in der Frühphase wollen ungehindert in solchen Ozeanen schwimmen. Auch etablierte Akteure, Incumbents aus etablierten Nachbarmärkten drängen dorthin. Sie wollen Start-ups verdrängen oder sie aufkaufen, bevor sie wachsen und ihnen damit gefährlich werden können. Ein, wenn nicht der beispielhafte Blaue Ozean ist der noch schlummernde Markt der Shopfloor-KI oder der industriellen KI. Dort könnte die Partnerwahl tatsächlich eine nützliche Strategie sein. Für wen und warum, das werden wir in der nächsten Folge beleuchten. Dann bringen wir Ihnen auch die Lösung unseres"Shining Path"-Rätsels.
Für heute: Lassen Sie uns zusammenfassen:
1. Unter Partnering verstehen wir die Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen in definierten Bereichen mit identischen oder nahezu identischen Teilzielen, z.B. Verkaufszielen. Im Sales gilt: Distributoren, Agenten, Wiederverkäufer usw. sind keine Vertriebspartner in diesem Sinne. Konkurrenten können keine Vertriebspartner sein, auch wenn sie offensichtlich ein ähnliches Interesse haben.
2. Partnerschaften können sinnvoll sein, wenn die Partnerunternehmen ein ausreichend starkes gemeinsames Interesse an ihrer Partnerschaft haben, um diese auch tatsächlich mit Leben zu füllen und wenn sie zum Unterhalt der Partnerschaft jeweils kein Geld in die Hand nehmen müssen. Dies ist sehr selten der Fall. Wenn ich meinen Partner monetär incentivieren muss, damit er überhaupt mein Partner wird, dann ist die Partnerschaft selbst eigentlich keine Partnerschaft.
3. Partnerschaften werden häufig zwischen Start-ups oder zwischen einem Start-up und etablierten Unternehmen geschlossen. Ausschlaggebend für solche Vertriebspartnerschaften sind aus Sicht des Start-ups in der Regel budgetäre Gründe. Ein besserer Marktzugang über etablierte Unternehmen kann ein zusätzlicher Vorteil sein. Aus Sicht der etablierten Unternehmen ist in der Regel (nur) der begehrte Zugang zu neuer Technologie ausschlaggebend für eine solche Partnerschaft mit Start-ups.
4. Solche Partnerschaften haben daher in der Regel einen schlechten Ruf innerhalb des Start-up-Ökosystems - dies obwohl sie populär sind. Bei Partnerschaften zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups sind die Interessen und Ziele i.d.R. nicht einmal annähernd identisch, und bei Partnerschaften zwischen zwei oder mehr Start-ups werden sie von beiden Seiten nicht hinreichend priorisiert.
5. Unsere bisher nur als unbewiesene Hypothese aufgestellte Behauptung lautet, dass das Eingehen von Vertriebspartnerschaften dann sinnvoll sein kann, wenn die Partnerunternehmen in sehr jungen Märkten tätig sind. Ferner behaupten wir, dass "Industrial AI" ein exemplarischer Markt in the making zum Beleg dieser Behauptung ist. Wir behaupten jedoch nicht, dass jede Art von Unternehmen oder jede Art von neuem Technologiemarkt ein Anwednungsfall für unsere These ist. Mehr dazu im nächsten Blogpost von PANDA.